ADG Infoservice Arbeitsrecht 5/24

Arbeitsrecht und die Cannabis-Legalisierung

Mit der Legalisierung von Cannabis seit April 2024 stellen sich neue Fragen für Arbeitgeber. Dürfen Mitarbeitende nach Feierabend oder gar während der Arbeitszeit konsumieren? Was sind die rechtlichen Konsequenzen, wenn Beschäftigte „high“ zur Arbeit erscheinen? Klare Regelungen und der Schutz aller Beteiligten sind wichtig. Erfahren Sie, welche arbeitsrechtlichen Aspekte jetzt entscheidend sind und wie Unternehmen darauf reagieren sollten.

I. Einleitung

In Deutschland ist es für viele Menschen normal, während der Mittagspause ein Glas Sekt oder auch ein Bier zu trinken. Mit Wirkung zum 01.04.2024 wurden Besitz und Konsum von Cannabis (teilweise) legalisiert. Cannabiskonsum ist Erwachsenen nun also grundsätzlich erlaubt. Aber darf der Arbeitnehmer deswegen auch „high“ auf der Arbeit erscheinen?

Für den Konsum während der Arbeitszeit trifft das Cannabis-Gesetz keine ausdrücklichen Regelungen, auch nicht, dass der Konsum während der Arbeit verboten ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein uneingeschränktes Konsumrecht während der Arbeitszeit besteht.

Das stellt Arbeitgeber vor Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden sollten.

In jedem Fall müssen Arbeitgeber Gefährdungsbeurteilungen aktualisieren und geeignete Maßnahmen festlegen, um Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten.

II. Eckpfeiler des neuen Gesetzes

ADie Cannabis-Legalisierung stützt sich auf das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz – CanG). Nunmehr dürfen Erwachsene bis zu 50 Gramm Cannabis besitzen. Im öffentlichen Raum ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis jetzt straffrei. Für Minderjährige bleibt der Besitz von Cannabis verboten.

Erwachsene, die in Deutschland seit mindestens sechs Monaten einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, dürfen zum Zwecke des Eigenkonsums an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig anbauen. Die Anzahl von drei Cannabispflanzen gilt je volljähriger Person eines Haushalts.

Für alle Konsumenten ist der öffentliche Konsum beschränkt. So gilt beispielsweise ein Konsumverbot in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr.

III. Gesundheitliche Folgen von Cannabiskonsum

Typische Folgen von Cannabiskonsum sind: Angst- und Panikgefühle, Orientierungslosigkeit, verminderte Reaktionsfähigkeit, Erinnerungslücken, depressive Verstimmung, Herzrasen, Übelkeit oder Schwindel und Halluzinationen.

Neben körperlicher und psychischer Abhängigkeit können u.a. gestörte Gehirnentwicklung sowie ein erhöhtes Risiko für Psychosen und Depressionen auftreten. Leistungs- und Reaktionsfähigkeit können beeinträchtigt werden.

Festzuhalten bleibt, dass – je nach Menge – der Cannabiskonsum zu einem Zustand führen kann, der die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit am erheblich Arbeitsplatz beeinträchtigen kann.

IV. Rechtliche Fragen

1. Ausnahmen von der grundsätzlichen Erlaubnis

Zwar ist im Cannabisgesetz selbst der Konsum während der Arbeitszeit nicht verboten, allerdings gibt es eine ganze Reihe von Berufsgruppen, bei denen die Einnahme psychoaktiver Substanzen streng verboten bzw. sogar unter Strafe gestellt ist. Das gilt für nahezu alle Berufe, die ein potenzielles Gefahrenrisiko gegenüber Dritten mit sich bringen.

Ein Beispiel findet sich in § 4a Luftverkehrsgesetz (LuftVG) für Piloten. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der Fahrtauglichkeit bei Berufskraftfahrern bzw. in Bezug auf Berufe, bei denen Fürsorgepflichten gegenüber Dritten ausgeübt werden, etwa in Kindergärten, Schulen oder Pflegeeinrichtungen.

Bei derartige Berufsgruppen ist aber auch bereits der Konsum von Alkohol verboten, sodass die diesbezüglich geltenden Grundsätze übertragen werden können.

2. Arbeitsrechtliche Konsequenzen: Abmahnung/Kündigung

Arbeitnehmer, die bekifft zur Arbeit erscheinen bzw. auf der Arbeit Cannabis konsumieren, setzen sich erheblichen arbeitsrechtlichen Risiken aus. Dies kann von Abmahnungen bis hin zu verhaltensbedingten Kündigungen reichen, insbesondere wenn die Arbeitsleistung beeinträchtigt wird oder die Sicherheit am Arbeitsplatz gefährdet ist.

Die Frage, ob ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter kündigen kann, der unter Cannabis-Einfluss steht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier spielen die Art der Tätigkeit, die Häufigkeit und Schwere des Verstoßes sowie die bisherige Betriebszugehörigkeit und das Verhalten des Arbeitnehmers eine Rolle.

Generell gilt: Je gefährdender das Verhalten für den Betrieb ist, desto wahrscheinlicher ist eine Kündigung. Auch wenn eine Kündigung aufgrund eines Fehlverhaltens im Regelfall einer Abmahnung voraussetzt, kann es in wirklich krassen Fällen auch zu einer fristlosen Kündigung aus wichtigen Grund kommen. Gerade im sicherheitskritischen Bereich, wenn es z.B. um das Führen von Fahrzeugen geht, kann unter Umständen eine Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung in Betracht kommen.

Ist der Arbeitnehmer nicht in der Lage, seine Arbeit ohne Gefahr für sich oder Andere auszuführen, darf er im Übrigen nicht mehr beschäftigt werden. Er verliert seinen Vergütungsanspruch und macht sich unter Umständen sogar schadensersatzpflichtig.

Zweifellos gilt, dass der legale Status von Cannabis nicht bedeutet, dass sein Konsum am Arbeitsplatz ohne Konsequenzen bleibt. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten sich der potenziellen rechtlichen Risiken und Auswirkungen bewusst sein. Für Arbeitnehmer, die Cannabis konsumieren, ist erst recht Vorsicht geboten, insbesondere wenn ihr Beruf hohe Konzentration oder den Umgang mit Maschinen erfordert.  Arbeitgeber sollten klare Richtlinien formulieren und durchsetzen, um die Sicherheit und Effizienz im Betrieb zu gewährleisten.

3. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Im Übrigen können sich auch Obliegenheiten für die Arbeitgeber aus ihrer allgemeinen Fürsorgepflicht ergeben. Arbeitgeber sind im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet, Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen. Darunter fällt zum Beispiel der Schutz vor Unfällen, ein gut ausgestatteter Arbeitsplatz und ein fairer Umgang miteinander.

Arbeitgeber können daher verpflichtet sein, offenkundig unter Drogeneinfluss stehende Mitarbeiter zeitweise von ihrer Arbeitspflicht freizustellen. Beschäftigt ein Arbeitgeber wissentlich nicht arbeitsfähige Arbeitnehmer und kommt es zu einem Unfall, kann dies strafrechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber nach sich ziehen (§ 15 Abs. 2 DGUV).

Ein Rauschzustand am Arbeitsplatz kann aber auch für den Arbeitnehmer empfindliche Konsequenzen haben. Diesem drohen hohe Bußgelder, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig gegen § 15 Abs. 2 DGUV verstößt und sich so in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können (§ 32 DGUV Vorschrift 1 iVm § 209 I 1 Nr. 1 SGB VII).

4. Drogentests am Arbeitsplatz

Aus den genannten Gründen stellt sich die Anschlussfrage, ob und inwieweit Drogentests am Arbeitsplatz zulässig sind. Während solche in Hollywood-Filmen oder auch amerikanischen TV-Serien üblich sind, bestehen in Deutschland sehr enge Grenzen. 

Grundsätzlich stellt die Durchführung von nicht anlassbezogenen Drogentests einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. in das Recht auf körperliche Unversehrtheit dar, abhängig von der Art des Tests. Ein solcher Test ist nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers möglich, die im Sinne des § 26 Abs. 2 BDSG freiwillig sein muss. Der Arbeitnehmer muss zuvor über die Durchführung, den Zweck und die Konsequenzen des Tests aufgeklärt werden. Arbeitsvertraglich kann ein Arbeitnehmer zu Drogentests verpflichtet werden, wenn der Arbeitgeber daran ein berechtigtes Interesse hat. Dieses wird im Zweifel jedoch nur dann zu bejahen sein, wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen und der Arbeitnehmer in einem sicherheitskritischen Bereich arbeitet.

Die mit der Durchführung von Drogentests verbundene Erhebung von Gesundheitsdaten unterliegt strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die Ergebnisse des Tests müssen vertraulich behandelt und dürfen nur für den Zweck verwendet werden, für den sie erhoben worden sind.

V. Was gilt auf dem Arbeitsweg sowie in der Freizeit?

Für die Freizeit dürfen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern den Konsum hingegen nicht untersagen, solange sie bei Arbeitsbeginn wieder vollumfänglich einsatzbereit sind. Ausnahmen sind denkbar, wenn Arbeitnehmer in der Freizeit mit Uniform oder sonstiger Dienstkleidung unterwegs sind, die auf den Arbeitgeber schließen lässt.

Denklogisch ist der Konsum auf dem Weg zur Arbeit hin daher durchaus untersagt werden, da in diesem Fall eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Arbeitnehmer nicht arbeitsfähig auf der Arbeit erscheint. 

VI. Praxistipp: Was sollte der Arbeitgeber regeln?

In den meisten Betrieben gibt es bisher keine Regelungen. Das heißt aber nicht, dass die Arbeitnehmer beliebig Cannabis konsumieren können. Beschäftigte sind dazu verpflichtet, ihren Dienst mit klarem Kopf zu erledigen

Es ist daher ratsam, klare Regelungen einzuführen und zu besprechen. Hier können parallele Regelungen wie zum Alkoholkonsum gewählt werden. Auch ein generelles Verbot von Rauschmitteln auf dem Betriebsgelände ist eine Option. Der klare Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass klare Verhältnisse geschaffen werden.

Betriebliche Regelungen können Arbeitgeber über Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen über den Umgang mit Cannabis im Betrieb treffen. Ein bestehender Betriebsrat ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beteiligen. In vielen Betrieben existieren bereits Regelungen zum Drogen- und Alkoholkonsum, die nun überprüft und ggf. angepasst werden sollten.