Interview mit Johannes Koch
Johannes Koch, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der DZ BANK, spricht im Interview mit Dr. Franz Strich über die zentralen Herausforderungen in der Bildung für die DZ BANK und die Genossenschaftliche FinanzGruppe (GFG) insgesamt. Er erläutert, welche Veränderungen auf uns zukommen, wie Technologien die Weiterbildung beeinflussen werden und welche Wünsche er für die Zukunft der Weiterbildung hat.
Bildung ist ein Schlüsselthema – für alle Unternehmen, die in Zukunft im Wettbewerb bestehen wollen. Wir stehen vor drei wesentlichen Herausforderungen: Das ist zum einen der demographische Wandel und alles, was damit zusammenhängt wie etwa der Fachkräftemangel oder die Arbeitgeberattraktivität sowohl nach innen als auch nach außen. Zweitens das Thema Nachhaltigkeit, insbesondere die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Drittens die Digitalisierung, momentan insbesondere im Hinblick auf generative Künstliche Intelligenz (KI). Diese drei Herausforderungen können wir nur erfolgreich meistern, wenn wir kontinuierlich neue Fähigkeiten entwickeln und bestehende Kompetenzen erweitern. Dafür ist Bildung unerlässlich.
Dabei müssen wir verstehen, dass Bildung kein einmaliges Ereignis ist, bei dem man ein Seminar zu einem Thema besucht und dann abschließend alles gelernt hat. Bildung erfordert Kontinuität. Die Geschwindigkeit, mit der sich externe Rahmenbedingungen oder der technologische Fortschritt verändern, nimmt kontinuierlich zu. Und all diese Veränderungen geschehen parallel. Deshalb müssen wir permanent am Ball bleiben und uns immer wieder „weiter“ bilden.
Sie hat zwei wesentliche Aspekte. Erstens: Wie lernen wir? Das Lernen wird deutlich modularer und viel mehr, im übertragenen Sinne, „nebenbei“ stattfinden. Weiterbildung wird niedrigschwelliger. In der DZ BANK haben wir beispielsweise inzwischen eine zentrale Lernplattform, die Mitarbeitende jederzeit und von überall online aufrufen können. Dort finden sie alle Inhalte, können sich für klassische Präsenzseminare anmelden oder einzelne Wissensnuggets auf Plattformen wie „Masterplan“ abrufen. Wir haben Podcasts, E-Books und neuerdings auch ein Online-Coaching über „Coach-Hub“. Mitarbeitende nehmen die Angebote selbstständig in Anspruch, die Führungskraft wird nur noch über den Workflow informiert. Genehmigungen sind nicht mehr erforderlich, außer bei externen Seminaren. Dieses flexible Angebot steht Mitarbeitenden aller Generationen offen und wird sehr gut angenommen.
Die Flexibilisierung von Bildung, gepaart mit einem breiten Angebot, ist aus meiner Sicht einer der zentralen Faktoren für eine zukunftsgerichtete Ausrichtung. Besonders wichtig ist dabei, dass wir nicht nur Inhalte von außen einkaufen, sondern viel stärker das gegenseitige Lernen fördern. Bei der DZ BANK experimentieren wir mit verschiedenen Formaten. Auf der Masterplan-Plattform haben wir beispielsweise einen eigenen DZ BANK-Kanal, auf dem unsere Mitarbeitenden zu spezifischen Themen eigene Videos erstellen und hochladen. Ein Beispiel: Vor gut einem Jahr haben wir eine hauseigene ChatGPT-Lösung – unseren DZ Chat – eingeführt. Mitarbeitende aus der DZ BANK haben dazu begleitende Videos erstellt, um ihren Kolleginnen und Kollegen zu erklären, wie das Tool funktioniert. Das Schöne daran ist, dass diese Videos nicht so anonym sind. Stattdessen kommen sie von Kolleginnen und Kollegen, die man vielleicht in der Kantine oder auf dem Gang trifft. Das schafft eine besondere Nähe und Relevanz.
Die Flexibilisierung von Bildung, gepaart mit einem breiten Angebot, ist aus meiner Sicht einer der zentralen Faktoren für eine zukunftsgerichtete Ausrichtung.
Der zweite Aspekt betrifft die Führungskräfte, deren Rolle hat sich stark verändert hat Führungskräfte haben heute eine doppelte Verantwortung und müssen zwischen Leadership und Management navigieren – wobei Leadership immer wichtiger wird. Denn unsere Teams werden zunehmend flexibler. Auch das ist ein generationenübergreifender Prozess, wobei die stärksten Impulse aus der GenZ kommen. Diese Veränderungen stellen eine besondere Herausforderung für Führungskräfte dar, denn sie müssen den Wunsch nach neuen Aufgaben, nach Weiterentwicklung und einem individuellen Entwicklungspfad fördern und steuern.
Das erfordert eine neue Denkweise auf Seiten der Führungskräfte. Entsprechend müssen sie sich auch weiterbilden und anpassen. Wichtig ist, dass es dabei nicht nur um Wissensvermittlung geht, sondern vor allem um praktisches Lernen, etwa durch Peer-Groups. Wie bei Mitarbeitenden müssen Weiterbildungen für Führungskräfte viel selbstverständlicher in den Berufsalltag integriert werden. Weiterbildung ist keine ausschließliche Aktivität, bei der man sich für ein Seminar zwei Tage aus dem Arbeitsalltag herausnimmt. Früher galt das oft als eine Art „Goodie“, und es fragte nachher niemand wirklich, was man gelernt hat und wie sich das konkret im Verhalten auswirkt. Das ändert sich.
Es gibt keine universelle Lösung oder Blaupause für diese Herausforderung. Was sich bei uns jedoch bewährt hat, ist die Flexibilisierung des Lernens. Mitarbeitende können selbst bestimmen, wann sie lernen. Das schließt natürlich nicht aus, dass eine Führungskraft auch Impulse gibt und auf bestimmte Lernangebote hinweist.
Idealerweise sind wir alle neugierig, motiviert und ständig auf der Suche nach neuem Wissen und Erfahrungen. Dieses Idealbild entspricht natürlich nicht immer der Realität. Deshalb ist es in der Führungsrolle so wichtig, motivieren zu können, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, den Mehrwert von kontinuierlichem Lernen aufzuzeigen, aber auch die Lernbereitschaft einzufordern.
Entscheidend ist, dass wir das Lernen in kleine Nuggets und Module aufteilen, die sich leicht in den Arbeitsalltag integrieren lassen So kann man lernen, ohne gleich mehrere Stunden offline zu sein. Das bedeutet nicht, dass große Formate, bei denen man sich gezielt aus dem Arbeitsalltag herauszieht, irrelevant geworden sind. Alles hat seinen Platz und auch diese Formate sind weiterhin wichtig. Es braucht ein Nebeneinander von beidem.
Der Fokus wird sich zunehmend auf das Thema Leadership verschieben. Es geht darum, die Fähigkeit zu entwickeln, Menschen mitzunehmen, sie zu motivieren, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen und eine Gemeinschaft zu bilden. All das, was Mitarbeitende dazu antreibt, sich zu engagieren, einzubringen und Neugier sowie den Wunsch nach persönlichem Fortschritt zu entwickeln. Traditionell haben wir diese Rolle nicht als Kernaufgabe von Führungskräften betrachtet. Aber eigentlich ist das ein Wunsch, den nahezu jeder Mensch in sich trägt.
Wir können als GFG ein attraktiver Arbeitgeber bleiben, indem wir uns in diesem Bereich differenzieren. Denn das können wir auf sehr glaubhafte Weise. Zusammenkommen und gemeinsam mehr erreichen als es der oder die Einzelne könnte, ist die DNA unserer Organisation.
Es geht darum, die Fähigkeit zu entwickeln, Menschen mitzunehmen, sie zu motivieren, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen und eine Gemeinschaft zu bilden.
Es gibt viele Herausforderungen, die für alle gleich sind, egal ob man in einer Primärbank, der DZ BANK oder einem der Gruppenunternehmen arbeitet. Der Austausch von Erfahrungen, insbesondere darüber, wie wir Inhalte vermitteln und Menschen mitnehmen, ist für uns alle ein Lernfeld und unglaublich bereichernd.
Daneben gibt es das Lernen im Alltag, dass in einem Team oder einer größeren Einheit innerhalb der eigenen Organisation stattfindet. Das lässt sich nicht sinnvoll organisationsübergreifend gestalten.
Was ich aus Gesprächen immer wieder mitnehme: In unserer Organisation gibt es viele Menschen mit großartigen Ideen, die sie gerne ausprobieren möchten oder bereits erproben. Eine Vision könnte beispielsweise sein, dass digitaler Content, welcher in einzelnen Unternehmen der GFG erstellt wird, für weitere interessierte Organisationen zugänglich gemacht wird.. Gleichzeitig könnte beispielsweise die ADG als zentraler Hub fungieren, in dem man in Präsenz zusammenkommt, sich über übergreifende Themen austauscht und Erfahrungen teilt, die alle betreffen, wie etwa das Führungsbild. Ich sehe da keinen Widerspruch. Nur sämtliche Weiterbildungen zu zentralisieren und zu kontrollieren, das halte ich für keine sinnvolle Möglichkeit.
Ähnlich wie bei der kompletten Zentralisierung von Weiterbildungsangeboten brauchen wir meiner Meinung nach auch keine zentrale Akkreditierungsstelle, die über die Qualität aller Bildungsangebote entscheidet. Unterschiedliche Inhalte haben je nach Organisationskontext unterschiedliche Bedeutungen. Natürlich ist die Messbarkeit der Weiterbildung in Bezug auf die eigene Arbeitsleistung schwierig.
Seit wir eine zentrale Lernplattform bei der DZ BANK haben, nutzen wir ergänzend zum Feedbackbogen bei klassischen Trainings eine Bewertungssystematik für alle Lernangebote ähnlich wie sie von Google oder Amazon verwendet wird. . Mitarbeitende können bis zu fünf Sterne vergeben, und das funktioniert sehr gut. Anstelle von langen Evaluationsbögen, die oft nur dann ausgefüllt werden, wenn es Kritik gibt, liefern die Sternebewertungen ein schnelles und effektives Feedback. Wenn viele Leute ein bestimmtes Video oder Seminar positiv bewerten, bekommt man ein gutes Gefühl dafür, ob es gut ankommt und auch Nutzen stiftet.
Darüber hinaus kann man ein besonders gutes Video oder Training direkt weiterempfehlen. Oder man erhält weitere Vorschläge für andere Videos, die Nutzer mit ähnlichem Interesse ebenfalls angeschaut haben. Diese Mechanismen aus Kurzbewertung und Weiterempfehlung auf Basis des Nutzerverhaltens funktionieren sehr gut.
Die entscheidende Frage ist doch: Hilft mir dieses Lernmodul in meinem beruflichen Kontext weiter? Dieses Feedback können wir sehr niederschwellig einholen, und ich glaube, das ist einer der zentralen Schlüssel.
Unsere präferierte Informationsaufnahme hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Wir wollen kurze und prägnante Inhalte. Wenn etwas zu lange dauert, verlieren wir schnell das Interesse. Diese Verhaltensweisen gelten auch für Bewertung von Bildungs- und Lerninhalten. Wenn wir es den Mitarbeitenden einfach machen, Feedback zu geben, etwa über indem eine schnelle Bewertung oder einen kurzen Kommentar, erhalten wir ein viel umfassenderes Bild als durch lange Evaluationen mit vielen Fragen.
Das bedeutet nicht, dass wir auf Expertise verzichten wollen. Natürlich sollen Menschen mit methodischem und inhaltlichem Fachwissen die Lernmodule prüfen, um sicherzustellen, dass sie qualitativ hochwertig sind. Das eine schließt das andere aber nicht aus.
Ich wünsche mir, dass wir noch stärker voneinander lernen. Ich bin überzeugt, dass der Schlüssel zum Erfolg oft im ‚Wie‘ liegt, weniger im ‚Was‘.
Ich wünsche mir, dass wir noch stärker voneinander lernen. Ich bin überzeugt, dass der Schlüssel zum Erfolg oft im „Wie“ liegt, weniger im „Was“. Wie schaffen wir es, Führungskräfte und Mitarbeitende für das Lernen zu begeistern? Wie bringen wir Erfahrungen in das Team ein? Wie integrieren wir Bildung als festen Bestandteil unseres Arbeitsalltags? Ich wünsche mir, dass wir uns darüber mehr austauschen.
Themen wie Arbeitgeberattraktivität, Rekrutierung und Weiterbildung sind derzeit in aller Munde. Wir als DZ BANK stehen vor der gleichen Herausforderung wie die Primärstufe: Wie schaffen wir es, dass Menschen gerne bei uns arbeiten, neugierig bleiben und sich weiterentwickeln wollen?
Wenn es uns in der GFG gelingt, in den nächsten drei Jahren neugieriger, beweglicher und hungriger nach Bildung und Weiterentwicklung zu werden, haben wir wirklich etwas gewonnen. Dann entsteht ein Trend, der sich von selbst verstärkt.