Frauen in Führung

„Eine Frau sollte sich nicht zwischen Karriere und Familie entscheiden müssen“

Lisa Morschel 4

Lisa Morschel, Leiterin der Hauptstelle Hamm bei der Dortmunder Volksbank eG, ist Mutter einer dreijährigen Tochter und hat das Genossenschaftliche Bank-Führungsseminar GBF als Klassenbeste abgeschlossen. Ein Gespräch über ihre Begeisterung für das Bankwesen, ihre Karriereentscheidungen und ihr Herzensthema „Frauen in Führungspositionen“.

Du hast deine Ausbildung bei der Dresdener Bank gemacht und bist dann zu einer Genossenschaftsbank gewechselt. Warum?

Lisa Morschel: Ich wollte schon immer in einer Bank arbeiten. Mein Schülerpraktikum in der Oberstufe bei der Commerzbank hatte mir so gut gefallen, dass ich mich dann dort auch für eine Ausbildung zur Bankkauffrau beworben habe. Mein privates Umfeld empfahl mir eine Privatbank – und letztendlich hat die Dresdener Bank am schnellsten geantwortet. Ich hätte aber auch bei einer Sparkasse landen können. Rückblickend bereue ich meine Entscheidung nicht; es war eine gute Ausbildung. Der Start meiner Ausbildung fiel allerdings genau mit dem Beginn der Finanzkrise zusammen. Der September 2008, mit dem Tag Lehman Brothers-Pleite ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. In diesen Tag beruhigte ich die ganze Zeit lang Kunden am Schalter. Das war nicht wirklich cool – Rückblickend hat mich diese Zeit aber sehr geprägt.

Die Übernahme durch die Commerzbank begann, und ich bekam Einblicke in die Welt einer Privatbank, das Provisionsgeschäft und die Frage, ob man den Aktionären oder den Kunden verpflichtet ist. Ich möchte die Bank nicht schlecht reden, aber ich fühlte mich nicht vollkommen wohl. Zudem hatte ich keine Übernahmegarantie. Also schaute ich mich um und stieß auf die Dortmunder Volksbank.

Was hat Dich besonders angesprochen in dieser Genossenschaftsbank?

Ich war schon vom Vorstellungsgespräch sehr beeindruckt – es war unglaublich persönlich, obwohl die Bank so groß ist. Von Anfang an war klar: Hier ist alles familiärer. Das Thema Genossenschaft hat mich wirklich geflasht. Nach den ersten vier Wochen meiner Arbeitszeit dachte ich allerdings noch: Ich bin in der Steinzeit gelandet. Die Arbeitsweise war komplett anders. Doch der direkte Kundenkontakt hat mich dafür umso mehr begeistert. Jeder, der hereinkam, war namentlich bekannt. Ich wusste sofort, dass ich irgendwann in einer Filiale arbeiten und all meine Kunden persönlich kennen möchte. Es war klar: Aus diesem Umfeld möchte ich nicht mehr weg.

Wie hast Du Deinen beruflichen Weg  dann gestaltet?

Erst war ich ganz klassisch Kundenberaterin. Das hat mir auch viel Spaß gemacht, aber ich habe gemerkt, dass ich noch „mehr Bank“ möchte – also habe ich den Bankfachwirt und den Bankbetriebswirt angeschlossen und bin in ein Trainee-Programm eingestiegen. Da habe ich alle Fach- und Spezialabteilungen gesehen und so ziemlich jedes Seminar besucht, das man belegen konnte. Aber ich wollte noch mehr.

Aber das war Dir nicht genug und Du hast den Bachelor an der ADG Business School gemacht…

Genau. Zu dieser Zeit gab es erstmals offiziell eine Teilanerkennung des Bankbetriebswirtes. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mir für das Studium viel Zeit gelassen habe, da ich zwischendurch im Migrationsteam meiner Bank tätig war. Die Urlaubssemester gingen größtenteils für die Migrationsarbeit drauf. Zusätzlich stellten die vielen Schreibarbeiten im Studium eine Herausforderung dar, weniger fachlich, sondern eher organisatorisch. Na ja, so habe ich meinen Bachelor letztendlich während meiner Elternzeit abgeschlossen.

Welche Erfahrungen hast du im Studium gemacht, die dir auf deinem beruflichen Weg geholfen haben?

Das Studium hat mir einen erweiterten Blickwinkel ermöglicht. Obwohl es bankspezifisch war, lag der Fokus stärker auf betriebswirtschaftlichen Aspekten. Dadurch entwickelte ich ein tieferes Verständnis für makroökonomische Themen. Die Gesamtbanksteuerung spielte ebenfalls eine zentrale Rolle. Das Studium half mir auch, mich durchzusetzen und die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten zu erlernen.

Du hast es eben schon angesprochen. Du hast eine dreijährige Tochter und für sie auch ein Jahr Elternvollzeit eingelegt hast. Kurz nach der Elternzeit hast du bereits das Genossenschaftliche Bank-Führungs-Seminar besucht. War das alles so geplant?

Ja, ich hatte bereits vor der Elternzeit die Weichen gestellt. Zu dieser Zeit war ich bereits in einer Filialleiter-Position und ich habe sehr klar kommuniziert, dass ich als Führungskraft zurückkommen möchte. Ich hatte mir Kompetenz und Fachwissen erarbeitet, die ich nicht ad acta legen wollte. Mein Arbeitgeber hat es mir sehr leicht gemacht. Bereits in der Elternzeit wurde mir die Leitung der Hauptstelle Hamm angeboten. Und das GBF war für mich dann der nächste logische Schritt.

Mit welcher Ambition bist Du in das GBF gestartet?

Mein Ziel war es, tiefer in die Gesamtbank einzutauchen, da mein Karriereweg in meiner aktuellen Position nicht enden sollte. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mehr Frauen in Führungspositionen brauchen. Ob es für mich letztendlich eine Vorstandsposition sein wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, aber ich schließe es nicht aus. Das notwendige Fachwissen dafür habe ich nun erworben. Jedoch ist mir bewusst, dass das allein nicht ausreicht. An den noch fehlenden Fähigkeiten möchte ich weiterhin arbeiten.

Du hast das GBF mit der besten Prüfung abgeschlossen. Hast du besonders viel gelernt?

Ich würde sagen, meine Auffassungsgabe ist eher sehr gut. Die Themen bereiten mir Freude, und wenn man Spaß daran hat, fällt es automatisch leichter, sich etwas zu merken. Vor 20 Jahren hätte ich auch nie gedacht, dass Bankwesen so interessant sein kann.

Es fühlte sich fast ein wenig seltsam an, dass ich übers Wochenende nach Hause fahre, kaum schlafe wegen meiner Tochter und dann die Prüfung als Beste bestehe – während andere deutlich mehr gelernt haben.

Das GBF ist eine sehr intensive Zeit. Wie hast du sie wahrgenommen, vor allem als junge Mutter?

Das war schon eine Belastung, aber vor allem für meinen Mann, meine Schwiegereltern und Eltern, die sich alle mit um meine Tochter gekümmert haben. Aber sie kennen mich: Wenn ich etwas durchziehen möchte, dann mache ich es auch. Dennoch stand mir vor der ein oder anderen Fahrt nach Montabaur mal eine Träne im Auge. Meine Kleine war noch ein Jahr alt, als ich das GBF begonnen habe – das war nicht immer einfach. Dennoch war es eine prägende Zeit, die mich persönlich sehr weitergebracht hat.

Ich war in einer tollen GBF-Gruppe: Ich habe selten so eine Gruppendynamik erlebt. Jeder kam mit jedem klar. Wenn wir Probleme hatten, kamen sie sofort auf den Tisch und wurden diskutiert. Das kann aber auch an dem hohen Frauenanteil in meinem GBF gelegen haben (lacht). Wir haben immer wieder nach sechs Wochen Pause sofort dort angeknüpft, wo wir aufgehört hatten. Ich muss schon sagen: Die Zeit, die ich alleine verbracht habe, kann ich überschauen.

Welchen persönlichen Nutzen ziehst du aus dem GBF?

Es ist das passiert, was einem jeder sagt, der das GBF besucht hat: Man geht mit einem anderem Selbstbewusstsein raus. Das hätte ich vorher nicht erwartet. Die persönliche Entwicklung im GBF ist enorm. Man realisiert: Das habe ich geleistet, diese Fachkenntnisse habe ich nun – und dadurch tritt man gestärkt auf. In allen bankbezogenen Angelegenheiten fühle ich mich nun sicherer. Zudem habe ich erkannt, wie belastbar ich bin.

Und heute? Als Leiterin der Hauptstelle Hamm bei der Dortmunder Volksbank, welche Herausforderungen hast du derzeit?

Derzeit bin ich noch teilweise im operativen Bereich tätig. Allerdings strebe ich an, meine Rolle weiter zu schärfen und mich stärker als Führungskraft zu positionieren. Deshalb beschäftigt mich momentan vor allem die Frage: Wie definiere ich meine Rolle als Führungskraft? In erster Linie sollte ich natürlich für meine Mitarbeiter da sein, zumal das Thema Führung und Mitarbeiterbindung in der heutigen Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Wie würdest du deinen eigenen Führungsstil beschreiben, und gibt es bestimmte Prinzipien oder Werte, die du in deiner Führungsrolle besonders betonst?

Ja, ganz wichtig ist für mich Reden. Konflikten nicht aus dem Weg gehen. Jeder kennt das: Manchmal sieht man Dinge, die man ungern anspricht. Aber mein Grundsatz lautet: Einem sprechenden Menschen kann geholfen werden, und je früher man das tut, desto besser. Mir wird zurückgespiegelt, dass man mit mir offen kommunizieren kann. Ich würde meinen Führungsstil als lösungsorientiert, offen, kommunikativ und empathisch beschreiben. Autoritär bin ich nicht, sondern eher einfühlsam-bestimmend.

Welche Ratschläge würdest Du jungen Menschen geben, die eine ähnliche Karriere in der Bankenbranche anstreben?

Ich würde sagen: Setzt euch klare Ziele und lasst euch nicht davon abbringen! Gerne möchte ich mich an dieser Stelle auch explizit für Frauen stark machen. In Gesprächen mit jungen Kolleginnen höre ich oft, dass ihre große Sorge darin besteht, sich zwischen Karriere und Familie entscheiden zu müssen. Ich finde, dass das keine Entscheidung sein darf, sondern dass es ein Miteinander sein muss. Es wäre katastrophal, wenn junge Frauen aufgrund der Überlegung zur Familiengründung auf berufliche Chancen verzichten würden. Dadurch verlieren wir Talente. In meiner Bachelorabeit („Der Einfluss von Frauen im Vorstand und Aufsichtsrat auf die Erhöhung der Frauenquote in Genossenschaftsbanken und ihr Einfluss auf den Unternehmenserfolg“) konnte ich zeigen, dass Unternehmen mit divers aufgestellten Vorständen erfolgreicher sind. Es ist mir wichtig, dass Frauen in ihren Unternehmen und bei ihren Arbeitgebern dafür kämpfen, Karriere und Familie zu vereinbaren. Auch und vor allem, wenn das bedeutet, dass Führungsaufgaben auch mit einer reduzierten Arbeitszeit möglich sind. Hier müssen die Arbeitgeber, aber auch unsere Gesellschaft noch viel flexibler werden; Stichwort: Kinderbetreuungszeiten und flexibles Arbeiten.

Es darf nicht die Entscheidung geben: Mache ich das GBF oder nicht, weil ich eine Familie gründen möchte. Es wäre eine falsche Entscheidung, es nicht zu tun. Das ist mir wirklich ein Herzensthema.

Als Führungskraft ist die Work-Life-Balance oft eine Herausforderung. Wie schaffst du es als Mutter, diese Balance zu wahren?

Ein klarer Cut zur Arbeit gelingt mir nicht; ich bin eigentlich immer erreichbar.

Aber das Schöne ist: Ich merke, dass die Probleme eine andere Bedeutung bekommen. Manchmal hilft es eine Stunde zu kneten oder zu basteln – und sich kurz mit der kindlichen Welt zu beschäftige, um sich der wahren Probleme des Lebens bewusst zu werden.