ADG Infoservice Arbeitsrecht Sonderausgabe Dezember 2023

Sign-On Boni

Sign-On Boni, auch als Sign-up oder Willkommensboni bezeichnet, sind einmalige Zahlungen, die bei Vertragsabschlüssen als Anreiz dienen und mögliche finanzielle Verluste beim Wechsel des Arbeitgebers ausgleichen sollen. Dieser Infoservice zum Arbeitsrecht beleuchtet die rechtlichen Grenzen solcher Boni, einschließlich Rückzahlungsklauseln und spezialgesetzlicher Schranken im AktG und der IVV. Dabei werden auch kontroverse Aspekte wie die AGB-rechtliche Zulässigkeit von Mindestverweildauerklauseln thematisiert.

I. Einleitung

Sign-On Boni (auch Sign-up, Antrittsprämien, Signing oder Welcome Boni genannt) sind einmalige Zahlungen, die anlässlich eines Vertragsschlusses gewährt werden. Solche Zahlungen sollen einerseits als Anreiz zum Vertragsschluss dienen und andererseits eventuell ausbleibende bzw. verfallende Zahlungen des alten Arbeit-/Dienstgebers ausgleichen. Sie dienen insbesondere der Gewinnung neuer Mitarbeiter.

Es muss sich hier nicht zwingend um eine Geldzahlung handeln. Der Signing Bonus bietet einen individuellen Anreiz für den Mitarbeiter. Möglich ist daher auch die Vereinbarung, z. B. ein Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen oder Ausbildungskosten zu übernehmen.

In einzelnen Fällen wird der Signing Bonus auch dazu verwendet, Mitarbeiter zur Unterzeichnung von bestimmten geänderten Vertragsbedingungen zu animieren.

II. Rechtliche grenzen

Der Signing Bonus wird individuell mit dem einzelnen Mitarbeiter, den es betrifft, vertraglich vereinbart. Bei der Ausgestaltung besteht ein weiter Gestaltungsspielraum. Denn Vertragsab-schluss und Bonus stellen die Hauptleistungspflichten einer solchen Vereinbarung iSd § 307 Abs. 3 BGB dar. Im Rahmen der Vertragsfreiheit fehlt jeder inhaltliche Kontrollmaß-stab dafür, wie hoch ein solcher Bonus sein darf. Soweit es sich um das reine Versprechen einer Bonuszahlung für den Vertragsabschluss handelt, sind solche Versprechen nur auf ihre Transparenz zu prüfen, § 307 Abs. 3, 1 S. 2 BGB.
Allerdings sind – insbesondere zum Schutz der Rechte Dritter – auch folgende gesetzliche Grenzen zu beachten:

  1. Verleiten zum Vertragsbruch als wettbewerbswidrige Handlung
    Das Abwerben fremder Beschäftigter, denen für diesen Zweck eine „Wechselprämie“ ver-sprochen wird, kann wettbewerbswidrig sein. Höchstrichterlich ist dieses Thema im deut-schen Recht noch nicht abschließend geklärt.
    Der BGH hat bislang entschieden, dass das Abwerben fremder Mitarbeiter als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt ist.
    Es sei nur dann wettbewerbswidrig, wenn unlautere Umstände hinzukämen, wie z.B. den Mitarbeiter eines Konkurrenten zum Vertragsbruch zu verleiten (BGH, Urteil v. 11. Januar 2007 – I ZR 96/04).
    Dies setzt ein bewusstes gezieltes Hinwirken auf den Vertragsbruch, also der Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht, voraus. In Betracht kommt z.B., dass der abgeworbene Arbeitnehmer dazu veranlasst wird, noch vor Beendigung des bestehenden Dienstverhältnis-ses die Tätigkeit für den Anwerbenden aufzunehmen. Eine ordentliche und fristgerechte Ei-genkündigung ist für sich genommen aber unproblematisch.
  2. Ausnutzen fremden Vertragsbruchs grundsätzlich erlaubt
    Abzugrenzen ist das Verleiten zum Vertragsbruch vom Ausnutzen fremden Vertragsbruchs.
    Auch das Ausnutzen ist nach Auffassung des BGH grundsätzlich zulässig, wenn nicht be-sondere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten (BGH, Urteil v. 11. September 2008 – I ZR 74/06).
    Die Abgrenzung zwischen dem unzulässigen Verleiten zum Vertragsbruch einerseits und dem zulässigen Ausnutzen zum Vertragsbruch andererseits kann im Einzelfall schwierig sein. Es stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber, der eine bereits bestehende Bereitschaft des Arbeitnehmers zum Jobwechsel durch das Versprechen von finanziellen Vorteilen ver-stärkt und einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen wesentliche Vertragspflichten dabei in Kauf nimmt, diesen bereits zum Vertragsbruch verleitet. Das Verstärken des Entschlusses könnte hingegen auch nur unter den Begriff des „Ausnutzen zum Vertragsbruch″ fallen.
  3. Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers unzulässig
    Wenn die Abwerbung durch Mitarbeiter des neuen Arbeitgebers erfolgt, sind die Grenzen zur Unlauterbarkeit bereits sehr schnell erreicht.
    Ausreichend ist ernsthaftes und beharrliches Einwirken des Arbeitnehmers auf Kollegen, um diese zu veranlassen für ihn oder einen anderen Arbeitgeber tätig zu werden (BAG, Urteil v. 19. Dezember 2018 – 10 AZR 233/18).
    In dem entschiedenen Fall hatte eine Arbeitnehmerin ihre Kollegen in eine Bäckerei eingela-den, ihnen von ihrer geplanten Selbständigkeit erzählt und Musterkündigungen ihrer beste-henden Arbeitsverhältnisse sowie Arbeitsverträge für die neue Tätigkeit vorgelegt, die noch vor Ort unterzeichnet wurden. Der Grat zur „Wechselprämie″ ist damit äußerst schmal.
    Überwiegend wird in der Literatur vertreten, dass das Versprechen oder Gewähren von Vor-teilen im Zusammenhang mit einem Jobwechsel nicht ohne Weiteres gegen das UWG ver-stoßen würde. Die attraktive Wirkung, die von einem Angebot ausginge, begründe für sich genommen noch nicht die Unlauterkeit. Daher sei das Versprechen von Prämien zum Zwe-cke der Abwerbung grundsätzlich zulässig. Ein wettbewerbswidriges Verhalten könne erst dann bejaht werden, wenn unlauter auf die Entscheidungsfreiheit des Beschäftigten einge-wirkt werde. Das ist dann immer eine Frage des Einzelfalls. Das bloße Anbieten einer Wech-selprämie ist insoweit unbedenklich.
  4. Besondere Schranken im AktG und der IVV
    Zu beachten sind spezialgesetzliche Schranken. Insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften ferner § 87 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach die Vergütungsstruktur auf eine langfristige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. Sign-On Boni hingegen werden sofort gewährt und dienen diesem Ziel damit nicht. Gleichwohl werden sie überwiegend als mit § 87 Abs. 1 S. 2 AktG vereinbar erachtet, wobei hier oftmals gefordert wird, dass langfristige Vergütungselemente insgesamt, also auch unter Berücksichtigung des Sign-on-Bonus, überwiegen müssen.
    Bei Finanzinstituten sind zusätzlich die Anforderungen der § 5 IVV zu beachten.
    Sign-on-Boni sind mithin in die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme einzubeziehen.
    Sign-on-Boni werden gem. der Auslegungshilfe der BaFin als garantierte variable Vergütung im Sinne des § 5 Abs. 5 IVV gewertet. An diese stellt die IVV besondere Anforderungen:
    a. Definition
    Garantierte variable Vergütungen gemäß § 5 Abs. 5 zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht auf Grundlage einer Erfolgs- oder Leistungsmessung festgestellt und zugesagt werden. Sie können unter verschiedenen Bezeichnungen auftreten, etwa als „garantierter 17/76 Bonus“, „Willkommensbonus“, „Anfangsbonus“ oder „Mindestbonus“, und entweder in Barmitteln oder in Instrumenten gewährt werden.
    b. Zeitliche Beschränkung
    Garantierte variable Vergütungen stehen grundsätzlich nicht in Einklang mit einem angemessenen Risikomanagement und dem Prinzip einer leistungsorientierten Vergütung. Gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 und 2 IVV ist daher eine garantierte variable Vergütung nur ausnahmsweise im Rahmen der Aufnahme eines Dienst-, Geschäftsbesorgungs- oder Arbeitsverhältnisses bei dem Institut und längstens für das erste Jahr der Beschäftigung zulässig.
    c. Anforderungen Gesamtbetrag der variablen Vergütung
    Zudem darf das Institut eine garantierte variable Vergütung gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 IVV nur dann gewähren, wenn es zum Zeitpunkt der Gewährung und zum Zeitpunkt der Auszahlung die Anforderungen des § 7 Abs. 1 S. 3 IVV erfüllt.
    Nach § 7 Abs. 1 S. 3 IVV gilt: Bei der Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütung
    • sind die Risikotragfähigkeit, die mehrjährige Kapitalplanung und die Ertragslage des Instituts und der Gruppe hinreichend zu berücksichtigen und
    • ist sicherzustellen, dass das Institut und die Gruppe in der Lage sind,
    a) eine angemessene Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung,
    b) die kombinierten Kapitalpufferanforderungen gemäß § 10i des Kreditwesengesetzes und
    c) sofern es sich um ein global systemrelevantes Institut handelt, die Anforderung an den Puffer der Verschuldungsquote gemäß § 10j des Kreditwesengesetzes
    dauerhaft aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.
    d. Angemessenes Verhältnis zur fixen Vergütung
    Als variable Vergütungen fallen garantierte variable Vergütungen unter die Beschränkungen des § 25a Abs. 5 KWG. Die Institute haben angemessene Verhältnisse zwischen der variab-len und fixen jährlichen Vergütung für Mitarbeiter und Geschäftsleiter festzulegen, wozu das KWG detaillierte Regelungen vorgibt. Ausnahmsweise können sie jedoch gemäß § 5 Abs. 5 S. 3 IVV unberücksichtigt bleiben, wenn sie vor Beginn der Tätigkeit zugesagt wurden.
    e. Für bedeutende Institute:
    Gemäß § 5 Abs. 5 S. 2 IVV fallen nach Satz 1 zulässige garantierte variable Vergütungen bei Risikoträgern in bedeutenden Instituten gemäß § 17 IVV nicht in den Anwendungsbereich der Ex-post-Risikoadjustierungsvorschriften von §§ 20 und 22 IVV. Die Institute können also den vollständigen Betrag in nicht zurückbehaltenen Barmitteln auszahlen. Vergütungen im Zusammenhang mit Ausgleichszahlungen gemäß § 21 IVV werden davon nicht erfasst und un-terfallen daher den Anforderungen der §§ 20 und 22 IVV.

IiI. Rückzahlungsklauseln

Meist werden die Sign-on-Boni mit einer bestimmten Mindestverweildauer bei dem neuen AG verbunden. Derartige Regelungen sind meist AGB-Klauseln und voll kontrollfähig gem. § 307 Abs. 1 BGB.
Inwieweit derartige Klauseln AGB-rechtlich zulässig sind, ist in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt.

  1. Vergleich zu Sonderzahlungen
    Zum Beispiel das Arbeitsgericht Berlin hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 für ein Arbeitsverhältnis im Wesentlichen die gleichen Grundsätze angewandt, die das BAG zu sonstigen Sonderzahlungen aufgestellt hat.
    Demnach müssen Rückzahlungsklauseln transparent iSd § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sein und dürfen den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
    Die Klausel muss demnach Art und Berechnungsgrundlage der zu erstattenden Kosten sowie den Bindungszeitraum und die Rückzahlungsvoraussetzungen konkret nennen.
    Ferner muss die Rückzahlung auf Fälle begrenzt sein, in denen die Beendigung des Arbeits-verhältnisses aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt.
    Rückzahlungsklauseln sind nur bei Zahlungen zulässig, die keinen Entgeltcharakter haben, also nur die Betriebstreue honorieren. Leistungen mit Entgeltcharakter bzw. Mischklauseln, die jedenfalls auch die erbrachte Arbeitsleistung vergüten, können nicht zurückgefordert wer-den.
  2. Vergleich zu Halteprämien
    In Ansehung der Entscheidungen des BAG zur Halteprämie wird jedoch abzuwarten sein, ob Sign-On-Boni tatsächlich diesen hohen Anforderungen zu unterwerfen sind.
    Grds. hält das BAG Halteprämien nicht für unangemessen benachteili-gend nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BGB. So sei eine Klausel angemessen, wenn die Aus-zahlung der Halteprämie zu einem bestimmten Stichtag voraussetze, dass der AN zu diesem Zeitpunkt sein Arbverh mit dem AG nicht von sich aus gekündigt habe. Der Arbeitgeber dürfe einen derartigen Anreiz für Betriebstreue setzen.
    Auch bei der Mindestverweildauer für einen Sign-on-Bonus soll letztlich der reine Anreiz geschaffen werden, vom Kündigungsrecht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Gebrauch zu machen. Auf die konkrete Arbeitsleistung kommt es überhaupt nicht an.
    Das BAG stellt zur Halteprämie fest, dass es dem AG durch § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht verwehrt sei, Betriebstreue zu honorieren, so einen finanziellen Anreiz für den Verbleib im Arbeitsverhältnis zu setzen und dem AN deutlich zu machen, welchen Wert für ihn dessen Verbleib im Arbeitsverhältnis hat.
    Dies lässt sich wertungsmäßig durchaus auf die Sign-On-Boni übertragen.
  3. Sphärentheorie bei Beendigungsgrund
    Nach einhelliger Auffassung dürfen im Zusammenhang mit Sign-On-Boni abgeschlossene Stichtagsvereinbarungen aber nur an Beendigungstatbestände geknüpft werden, die der Sphäre des AN zugeordnet werden können.
    Wird das Arbeitsverhältnis aus Gründen beendet, die der AN nicht zu vertreten hat, so lässt dies den Bonus nicht entfallen. Der AN muss es in der Hand haben, die Voraussetzungen für den Bonus zu schaffen.
    Zum Beispiel ist eine Regelung im Arbeitsvertrag, wonach eine „Willkommensprämie“ für den Fall zurückzuzahlen ist, dass der Arbeitnehmer bereits innerhalb der Probezeit wieder aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ist AGB-widrig und damit unwirksam, wenn die Klausel eine Rückzahlungspflicht auch für den Fall einer berechtigten fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers vorsieht. Das grundrechtlich gemäß Art. 12 GG geschützte Recht auf einen Arbeitsplatzwechsel werde in diesem Fall durch die Verpflichtung zur Rückzahlung unangemessen eingeschränkt.

LAG Schleswig Holstein, Urteil vom 24. September 2019 – 1 Sa 108/19