Im Interview: Christian Heinrichs
Christian Heinrichs, Absolvent des Masterstudiengangs Banking & Finance an der ADG Business School im Jahr 2017, ist nicht nur als Prozessmanager bei der VR-Bank Nordeifel eG tätig, sondern auch Mentor des Start-up-Gründungsteams FloodWaive. Das Team besteht aus Absolventen der RWTH Aachen und hat sich zum Ziel gesetzt, mithilfe von künstlicher Intelligenz bahnbrechende Echtzeit-Hochwasserprognosen zu erstellen. Die Gründungsidee von FloodWaive entstand durch die verheerenden Auswirkungen der Flutkatastrophe im Jahr 2021 und ist seither kontinuierlich gewachsen. Im Interview verrät Christian uns, wie seine Tätigkeit bei der VR-Bank und sein Studium an der ADG Business School maßgeblich zu dieser wegweisenden Initiative beitragen.
Christian, dein Abschluss liegt nun einige Jahre zurück. Was hat sich seitdem in deinem Leben verändert?
Nach meinem Masterstudium bin ich vom Firmenkundengeschäft in das Organisationsmanagement bei der VR-Bank Nordeifel eG gewechselt. Seit 2017 liegt mein Fokus auf dem Prozessmanagement, woraus sich im Laufe der Jahre vielfältige und spannende Herausforderungen ergeben haben. Meine Tätigkeit begann als Teilprojektleiter für Prozesse in der agree21 Migration, wo ich die Vorgangsvorlagen der Bank angepasst und weiterentwickelt habe. Im Laufe der Zeit hat sich mein Aufgabengebiet mehr in Richtung ganzheitliches Change-Management und systemische Organisationsentwicklung entwickelt. Es ist interessant zu beobachten, wie sich die traditionellen Karrierewege, wie beispielsweise in der Firmenkundenberatung, zu neuen Positionen und Aufgaben hin entwickeln. Als ich mein duales Studium bei der VR-Bank im Jahr 2009 begann, gab es die Rolle eines Prozessmanagers zum Beispiel noch gar nicht. Im Laufe der Jahre habe ich verschiedene Aufgabenbereiche durchlaufen, wie beispielsweise im Bereich Gesamtbanksteuerung/Controlling, die mir heute ein umfassendes Verständnis komplexer Bankprozesse ermöglichen. Die Vernetzung und Abhängigkeit zwischen den Aufgabenbereichen verschiedener Fachbereiche ist immer enger geworden.
Du unterstützt als Mentor eine Start-up Gründung. Was genau ist dessen Aufgabe und Ziel – und wie kam es dazu?
FloodWaive nutzt Künstliche Intelligenz, um Wettervorhersagen in Hochwasserprognosen umzuwandeln. Die Prognosen werden live auf einer digitalen Landkarte angezeigt und mit einer Ampel-Skala von grün bis rot visualisiert, um potenzielle Gefährdungen anzuzeigen. Auf dieser Grundlage können Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung abgeleitet werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Modellen, die statisch anhand eines festgelegten Szenarios berechnet werden und eine hohe Rechenleistung erfordern, kann die KI von FloodWaive Wetterprognosen erstmals in Echtzeit verarbeiten und somit auch kurzfristig auf Wetteränderungen reagieren. Die Anwendung verfügt zudem über eine intuitive Benutzeroberfläche, die auch ohne spezifisches Fachwissen eine einfache Lagebeurteilung für Entscheidungsträger ermöglicht.
Dr. Julian Hofmann und ich haben uns zufällig am Jahrestag der Flutkatastrophe 2021 kennengelernt. Er ist Wasserbauingenieur und hat in seiner Doktorarbeit erfolgreich die Einsatzmöglichkeiten von KI zur Hochwasserprognose erforscht. Das Gründungsteam wird ergänzt durch Adrian Holt, einen Informatiker, und Maike Kuchem, eine Wirtschaftsingenieurin. Wir bringen unterschiedliche Fachkenntnisse und vielfältige Erfahrungen in das Gründungsteam ein, die sich optimal ergänzen.
Aufgrund meiner früheren Erfahrungen im Bereich Firmenkundengeschäft und meiner Rolle als Mentor für Gründer in unserer Region habe ich bereits viele Existenzgründungen begleitet. Ich bin nach wie vor als Mentor tätig und unterstütze Gründer gerne während des gesamten Gründungsprozesses.
Beispiel Produkt „AIFloodNowcast“ als Mockup
Beispiel Produkt „AI-Riskanalyzer“ als Mockup
Und welche Rolle spielt dein Studium in dem Zusammenhang?
Der hohe Praxisanteil während meines Studiums und meine Vernetzung in der Bank sind von großer Bedeutung. Ein Gründungsprojekt ist äußerst komplex und es treten immer wieder unvorhergesehene Ereignisse auf, auf die man spontan und angemessen reagieren muss. Meine Erfahrungen aus dem Bankalltag erleichtern den ohnehin schwierigen Start eines Unternehmens erheblich. So konnte ich dem Gründungsteam direkt einen Kontakt zu unserer Firmenkundenbetreuung vermitteln. Für Start-ups ohne eine längere Geschichte des Geschäftsmodells gestaltet es sich oft sehr schwierig, eine Bankverbindung und Finanzierungspartner zu finden.
Das Fachwissen, das ich während meines Studiums erlangt habe, hilft mir bei der Planung und ermöglicht es mir, viele Probleme zu umgehen, noch bevor sie überhaupt auftreten. Es ist äußerst spannend, die Balanced Scorecard oder SWOT-Analyse direkt auf mein eigenes Gründungsprojekt in der Praxis anzuwenden. Dabei ist es noch interessanter, selbst für die Umsetzung verantwortlich zu sein und die Modelle eigenständig zu gestalten. Natürlich lassen sich nicht alle Aspekte komplett in der Praxis umsetzen, aber es hilft, sich den praktischen Herausforderungen einer Gründung und Unternehmensführung anzunähern. Obwohl wir im Gründungsteam unterschiedliche Abschlüsse und Lebensläufe haben, können wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Du warst selbst als Feuerwehrmann bei der Flut im Einsatz. Welche persönliche Hoffnung setzt du in das Projekt?
Das Projekt ist mir und dem ganzen Team eine Herzensangelegenheit. Die Geschäftsidee hat auch eine starke emotionale Bedeutung für uns, da wir alle persönliche Erfahrungen aus der Flutkatastrophe mitbringen. Den hohen Aufwand und die Risiken einer Gründung kann man nur mit großer persönlicher Motivation bewältigen.
Unsere Hoffnung liegt darin, dass das Geschäftsmodell nicht nur betriebswirtschaftlich funktioniert, sondern vor allem den Bevölkerungsschutz durch verbesserte Hochwasserprognosen vorantreibt. Sollte ein ähnliches Ereignis erneut eintreten, möchten wir mit FloodWaive verlässliche Prognosen abgeben können und dadurch Menschenleben und Sachwerte schützen. Sofern die entsprechende Datengrundlage vorhanden ist, kann das Modell für alle Wetterereignisse weltweit genutzt werden.
Unser Ziel ist es, einen echten Mehrwert zu schaffen und einen positiven Beitrag zur Sicherheit und zum Schutz der Gemeinschaft zu leisten. Diese Motivation treibt uns an und gibt uns die Entschlossenheit, das Projekt erfolgreich umzusetzen.
Und was sind jetzt die nächsten Schritte bei eurer Arbeit mit FloodWaive?
Als nächstes steht die offizielle Gründung der GmbH an, bei der ich weiterhin als Mentor aktiv sein werde. Wir haben bereits Potenzialkunden in unserem Netzwerk, die ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit FloodWaive bekundet haben. Nach der Gründung der GmbH beginnt die eigentliche Arbeit: Die KI muss entwickelt, getestet und für den breiten Einsatz angepasst werden.
Es gibt also noch viel zu tun und die Arbeit bleibt weiterhin äußerst spannend. Wir sind motiviert, die nächsten Schritte zu gehen und das Potenzial von FloodWaive voll auszuschöpfen.